Vorsitzende des SPD Arbeitskreis Europa, Stephanie Schäfer, referierte beim SPD OV Rückersdorf über das geplante Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU
„Stirbt der Weihnachtsmarkt? – TTIP und seine Folgen“, war der etwas provokante Titel einer Gesprächsveranstaltung, zu der die Rückersdorfer SPD in den historischen Schmidtbauerhof eingeladen hatte. Sinnigerweise, aber völlig wertfrei, führte der Weg zu dieser hochinteressanten Veranstaltung durch die bereitgestellten, aber noch geschlossenen Verkaufsbuden des Rückersdorfer Adventsmarktes.
Mit Stephanie Schäfer, der Vorsitzenden des Arbeitskreises EU der SPD Mittelfranken, hatte sich der Vorsitzende der Rückersdorfer SPD, Hans-Dieter Brückner, eine ausgewiesene Expertin für dieses aktuelle Reizthema geholt.
Nach einer kurzen persönlichen Vorstellung der im Saarland geborenen Juristin, stieg diese engagiert in das Thema TTIP ein. Die Diskussion über das geplante Freihandelsabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union genannt TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership), ist seit der Europa- und Bundestagswahl durch die aktuellere Flüchtlingssituation etwas in den Hintergrund der öffentlichen Wahrnehmung getreten, so die Referentin. Dies wird von den interessierten Kreisen sicherlich nicht ungern gesehen. In den sozialen Medien wird dieses Thema aber immer noch sehr heiß und kontrovers diskutiert. Auch innerhalb der SPD gibt es noch keine einheitliche Linie. Während die Bundes SPD TTIP positiv gegenüberstehen, herrscht bei den nachgeordneten Ebenen, wie den Landesverbänden oder den Unterbezirken noch erhebliche Skepsis, bzw. teils strikte Ablehnung. Großer Knackpunkt ist u. a. der geplante Investorenschutz. Dieser würde auch Klagen gegen die gesetzgebenden Parlamente zulassen, wenn geplante oder verabschiedete Gesetze nach Einschätzung der Investoren, sprich der Konzerne, die erhofften Gewinne gefährden könnten. Große Ablehnung herrscht auch gegen die beabsichtigten Schiedsgerichte, die außerhalb der staatlichen Rechtsprechung, bei Streitigkeiten zuständig wären. Dass diese zudem mit Vertreter der Industrie besetzt werden könnten, macht eine allgemeine Akzeptanz nicht leichter. Einer breiten Akzeptanz steht auch die mangelnde Transparenz bei den Verhandlungen zwischen USA und der EU entgegen. Selbst gewählte Parlamentarier haben nur eine sehr eingeschränkte Einsicht über den Stand der Gespräche. Zudem wird immer wieder versucht, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen. Daher ist es, nicht nur aus Sicht des Juristischen Dienstes des Bundestages legitim, dass sich auch kommunale Gremien, wie die Kreistage oder Stadt- und Gemeinderäte mit TTIP befassen, um entsprechende Forderungen an die Verhandlungspartner zu stellen. Letztlich ist zu befürchten, dass TTIP auch erheblich in die örtliche Daseinsvorsorge, wie Strom- und Wasserversorgung eingreifen könnte. Auch unsere traditionell gewachsene Kulturlandschaft wird von TTIP nicht verschont bleiben. Beispielhaft wurden hier die Buchpreisbindung oder die öffentlichen Theatersubventionen genannt. Unter das Thema Kultur fällt schließlich auch der Weihnachtsmarkt. Mit diesem Hinweis schloss Stephanie Schäfer ihre Ausführungen.
In der anschließenden angeregten und engagierten Diskussion kristallisierte sich eine sehr starke Ablehnung gegen dieses Freihandelsabkommen heraus. Die zu befürchtenden Einschränkungen in die persönliche Freiheit, wiegen die zu erwartenden Vorteile einiger Weniger bei Weitem nicht auf. Zudem wird eine weitere „Amerikanisierung“ unserer gewachsenen Kultur befürchtet. Die Versammlung war der Meinung, dass angesichts des momentanen, desaströsen Zustandes der EU die Europäer zuerst einmal das eigene Haus in Ordnung bringen sollten, bevor man solch weitreichende Verträge wie TTIP eingeht. Vorrangig ist dabei ein europaweites, einheitliches Steuersystem und eine uneingeschränkte Solidarität unter den Mitgliedsländern. Davon sind wir, angesichts der derzeitigen Flüchtlingssituation, aber noch sehr weit entfernt. So lange diese internen Probleme in Europa nicht geregelt sind, hat auch TTIP keine Chanse.